Vor etwas mehr als 20 Jahren da waren Städte wie Pakrac, Sibenik, Osijek, Sarajevo, Srebrenica ein Synonym für Gewalt, Schrecken und Krieg. In dieser Zeit gab es eine Frau die in Hamburg lebt, die sich allabendlich die Bilder des Grauens im Fernsehen ansah. Die versuchte ihre Verwandten und Freunde aus dem kleinen Fischerdorf an der kroatischen Küste zu erreichen, um zu hören, ob sie noch lebten. Es war eines jener Dörfer, die vom Mutterland abgeschnitten waren, denn in den Bergen im Hinterland begann alles, dort war Krieg. Die Frau entschloss sich im Januar 1993 ihrem Dorf, dem Land und vor allem aber der Hoffnung dieses Landes -den Kindern- zu helfen.
Sie begann im Freundeskreis Menschen zu suchen, die bereit waren, Kindern deren Familien durch Tod zerstört worden sind, zu helfen. So kam es, dass die Arche Noah gegründet wurde mit dem Auftrag Patenschaften zu finden, um die Kinder zu retten. Die Arche Noah hatte sehr schnell über 150 Paten, doch die Anfragen und Bitten nach Hilfen wurden immer bedrückender und mehr.
Im Frühjahr 1994 lernte ich diese Frau kennen und war fasziniert von ihrer Hingabe, Ausdauer und vor allem von ihrem Willen zu helfen. Ich bemühte mich meinen Teil dazu beizutragen, um für die immer neuen Bitten der Kinder neue Paten zu gewinnen. Der Krieg im benachbarten Bosnien tobte, die Vertreibungen setzten ein. Die Belagerung von Sarajevo, die Massaker von Srebrenica. Die Kinder und Frauen aus der Enklave Srebrenica kamen nach Tuzla und benötigten alles. Im Sommer 1995 fiel Srebrenica, Sarajevo konnte wieder erreicht werden und somit kamen immer mehr traurige Briefe mit der Bitte um eine kleine Hilfe. Wir folgten der Bitte der Kinder und wandten uns an das Hamburger Abendblatt und seine Leser...
Was danach geschah war überwältigend. Hunderte von Menschen waren bereit, Kindern aus Kroatien und Bosnien- Herzegowina zu helfen. Wir konnten über 1000 Patenschaften vermitteln, von denen einige noch heute bestehen. All diese wundervollen Helfer gaben den Kindern und Familien in diesen Ländern wieder ein Gefühl von Menschlichkeit und Zugehörigkeit, vor allem aber bedeutete das Geld – Nahrung, Kleidung- d.h. Überleben. Die Situation hat sich in den Nachkriegsjahren geändert. Die Überlebensangst wich dem Überlebenskampf.
Heute sind die Kriege vorbei, vielen Familien- insbesondere in Kroatien- ist es gelungen, sich wieder aus eigener Kraft zu versorgen. Und dennoch herrschen Armut und Perspektivlosigkeit in vielen Teilen dieser Ländern. Die Kinder sind heute Jugendliche ohne Aussicht auf Arbeit und somit auch ohne Hoffnung auf eine geregelte Zukunft.
Auch heute noch betreut die Arche Noah Patenschaften. Es sind Familien mit Kindern die kriegsbedingt in Arbeitslosigkeit sind, oder junge Studenten deren Eltern ihnen die Ausbildung nicht bezahlen können. Zehn Jahre nach Kriegsbeginn war da aber auch „Neuzuwachs“ - ein kleines Baby namens Nerma. Geboren vor elf Jahren in einer Flüchtlingsfamilie in Tuzla. Es lebt mit der Oma und Verwandten. Ihre Mutter starb bei der Geburt, der Vater ist weg und die Oma, die sich schon um die Kinder von 4 gefallenen Söhnen kümmerte, hatte nun auch ein kleines Baby zu versorgen.
Aus einigen Patenschaften sind Freundschaften mit persönlichen Besuchen und Kontakten entstanden.
Ich werde auch heute noch oft gefragt was benötigen die Menschen dort. Es ist schwierig diese Frage zu beantworten. Es sind keine Notzustände wie wir sie alle auch den Bildern aus Afrika kennen. In Kroatien und Bosnien leben Menschen wie wir, mitten in Europa, die durch den Krieg in eine Armut und Hilflosigkeit geraten sind. Was brauchen sie? Sie brauchen die Gewissheit einer sicheren und friedlichen Zukunft, ein Zeichen Menschlichkeit und jede finanzielle Unterstützung die es ihnen ermöglicht, den schwierigen Alltag etwas einfacher zu gestalten.
Wir möchte uns heute noch einmal im Namen aller Kinder und Familien aus Split, Sibenik, Pakrac. Osijek, Sarajevo, Tuzla, Srebrenica, Travnik, Mostar...bei all denjenigen bedanken, die es der Arche Noah ermöglicht haben, diese Kinder zumindest ein kleines Stück auf ihrem Lebensweg zu begleiten und diesen zu unterstützen.
Vielen Dank. Hvala.
Ein Bericht von Nermina K.